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Viren gegen Harnwegsinfekte

Bakteriophagenvirus greift ein Bakterium an.

Bakteriophagenvirus greift ein Bakterium an.

Forschende der Universitätsklinik Balgrist und der ETH Zürich haben einen Schnelltest für die Erkennung der Bakterien von Harnwegsinfektionen und einen neuen Therapieansatz entwickelt.

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Harnwegsentzündungen bei Frauen sind keine Seltenheit. Fast jede zweite Frau ist im Laufe ihres Lebens von einer Blasenentzündung betroffen und in vielen Fällen treten diese wiederholt auf. Die Standardbehandlung mit Antibiotika stellt Ärztinnen und Ärzte vor ein Dilemma, da die Antibiotikaresistenzen bei Harnwegsinfekten hoch sind und das eingesetzte Antibiotikum nicht immer hilft, weil die Wirksamkeit gegen den krankmachenden Erreger nicht bekannt ist. Die herkömmliche Diagnostik benötigt mehrere Tage, um den spezifischen Erreger zu identifizieren.

Forschende der Universitätsklinik Balgrist und der ETH Zürich haben im Rahmen des Forschungsprojekts CAUTIphage einen Schnelltest für die Erkennung der Bakterien von Harnwegsinfektionen und einen neuen Therapieansatz entwickelt. Der Test basiert auf Bakteriophagen (Kurzform: Phagen) – Viren, die ausschliesslich Bakterien befallen. Zudem haben die Forschenden die Bakteriophagen genetisch verändert, um die krankheitserregenden Bakterien effizienter zu zerstören. «Dank der Entwicklung des Schnelltests und des neuen Therapieansatzes sind wir einen wichtigen Schritt weiter in der Bekämpfung von Harnwegsinfekten. Nun werden wir diese vielversprechenden neuen Methoden bei ausgewählten Patientinnen und Patienten in klinischen Studien überprüfen», sagt Prof. Dr. Thomas M. Kessler, Chefarzt Neuro-Urologie an der Universitätsklinik Balgrist und Leiter des Forschungsprojekts CAUTIphage.

Schnelltest für eine zuverlässige Diagnose

Bakteriophagen sind hochspezialisierte Viren, die nur bestimmte Bakterien erkennen und sie schliesslich zerstören. In einem ersten Schritt identifizierte die Forschungsgruppe die Phagen gegen die drei Hauptakteure von Harnwegsinfekten: Escherichia coli, Klebsiella und Enterokokken und in einem weiteren Schritt veränderten sie die natürlichen Phagen so, dass die infizierten Wirtsbakterien nach Kontakt mit den Phagen ein Lichtsignal produzieren, welches sich leicht messen lässt.

Mit dieser Methode können die krankmachenden Bakterien direkt und zuverlässig in der Urinprobe nachgewiesen werden – und dies in weniger als vier Stunden. Somit kann gleich nach Feststellung des Erregers das passende Antibiotikum verschrieben werden.

Ein weiterer Vorteil dieses Schnelltests ist die Möglichkeit einer Prognose, bei welcher Patientin oder welchem Patienten eine massgeschneiderte Phagentherapie besonders erfolgreich sein könnte, da die Effizienz der Phagen beim Angriff auf das Bakterium bereits durch die Stärke des Lichtsignals erkennbar ist. Je mehr die Probe leuchtet, umso besser spricht das Bakterium auf die Therapie an.


Elektronenmikroskopaufnahme von Phagen.Elektronenmikroskopaufnahme von Phagen. (Bild: Matthew Dunne/ScopeM/ETH Zürich)

Zweigleisige Attacke auf die Bakterien

Phagentherapien sind seit mehr als 100 Jahre bekannt, gerieten aber in den westlichen Industrieländern mit der Entdeckung von Penicillin in Vergessenheit. In Anbetracht der zunehmenden Antibiotikaresistenzen erleben sie in der Medizin eine Renaissance, denn sie haben den entscheidenden Vorteil, dass sie nur ein einziges Zielbakterium angreifen.

Bisherige Therapieansätze haben jedoch ein Problem: Phagen haben kein Interesse daran, ihren Wirt, also das krankmachende Bakterium, vollständig abzutöten. Um die Wirksamkeit der Phagen zu verstärken, haben die Forschenden sie genetisch verändert, indem sie im Inneren des infizierten Wirtsbakterium nicht nur neue Phagen produzieren, sondern auch die sogenannten Bakteriozine. Diese bakterienabtötenden Proteine werden freigesetzt und sind besonders wirksam gegen Bakterienstämme, die Teile ihrer Oberfläche so verändert haben, dass die Phagen sie nicht mehr erkennen. Durch diese zweigleisige Attacke wird die Therapie effektiver.

Von der Forschung in die Klinik

Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um einen Machbarkeitsnachweis. In einem nächsten Schritt wird die Wirksamkeit dieser neuen Phagentherapie in einer klinischen Studie mit ausgewählten Patientinnen und Patienten geprüft.

Literaturhinweise

Du J, Meile S, Baggenstos J et al. Enhancing bacteriophage therapeutics through in situ pro-duction and release of heterologous antimicrobial effectors. Nat Commun. 2023;14:4337.

Meile S, Du J, Staubli S et al. Engineered reporter phages for detection of Escherichia coli, Enterococcus, and Klebsiella in urine. Nat Commun. 2023;14:4336.