In der Sprechstunde des Universitären Wirbelsäulenzentrums Zürich (UWZH) sitzt eine 12-Jährige. Beim Sport treiben war aufgefallen, dass ihre rechte Schulter immer tiefer steht als die linke. Die Kinderärztin hat dies dann überprüft und festgestellt, dass hier ein abklärungsbedürftiger Befund vorliegt. Deshalb hat die Kinderärztin sie dann zu den Spezialisten im UWZH überwiesen. Diese sollen abklären, ob ihr Schulterschiefstand Folge einer Skoliose ist oder eine andere Ursache hat, wie zum Beispiel eine Beinlängendifferenz.
«Typisch für eine Skoliose ist eine Wirbelsäule, die sich seitwärts verkrümmt und zusätzliche eine Verdrehung der Wirbelkörper vorliegt.»
Eine Skoliose äussert sich oft durch eine Wirbelsäule, die sich seitwärts verkrümmt und wenn zusätzliche eine Verdrehung der Wirbelkörper vorliegt. Das kann im frühen Kindesalter geschehen oder erst im Laufe des Wachstums. Die gute Nachricht: Eine früh auftretende Verbiegung der Wirbelsäule korrigiert sich in 80 Prozent der Fälle selbst. Abzugrenzen hiervon ist eine sogenannte Early-Onset-Skoliose, die in der Regel früh behandelt werden muss und oft eine operative Therapie notwendig macht. Die «typische» Skoliose ist häufiger bei älteren Kindern und Jugendlichen anzutreffen, die sogenannte idiopathische Adoleszentenskoliose, die sich typischerweise durch Wachstum verstärkt. Insgesamt erhalten ein bis zwei Prozent der Kinder bis zum 16. Lebensjahr diese Diagnose.
Skoliose möglichst früh behandeln
Die Skoliose-Fachspezialisten des Wirbelsäulenzentrums Zürich betonen, wie wichtig es ist, eine Wirbelsäulenverkrümmung möglichst früh zu erkennen. Denn mit Physiotherapie, mit Stützkorsett und mit hochdosierter Vitamin D- und Kalzium-Einnahme kann sehr viel erreicht werden. Für letztere Therapie fehlt noch der endgültige Beweis, jedoch gibt es einige Hinweise, dass Vitamin-D- und Calcium-Mangel eine Rolle bei der Verstärkung einer Skoliose im Wachstum spielen könnten. Eltern können mit dem Vorneigetest die Wirbelsäule auf eine allfällige Deformation überprüfen. Durch die regelmässigen und sehr sorgfältigen Untersuchungen durch Kinderärztinnen oder -ärzte werden die meisten Auffälligkeiten rechtzeitig erkannt und dem Spezialisten zugewiesen.
Eine Operation führt zu guten Ergebnissen
Neigt sich die Wirbelsäule seitlich über 45 Grad, diskutiert ein interdisziplinäres Team des UWZH die optimalen Behandlungsmöglichkeiten. Im Falle von Early-Onset-Skoliosen, in dem eine Behandlung frühzeitig notwendig wird, wird meist ein sogenanntes «Growing-Rod-System» eingesetzt, ein Stabsystem, was «mitwachsen» kann. Zwei implantierbare metallene Stäbe werden je ober- und unterhalb der verkrümmten Stelle in einem oder mehreren stabilen Wirbelkörpern verankert. Die Wirbelsäule wird dadurch in seiner Längsausrichtung unterstützt.
«Die neuesten Verfahren ermöglichen es, die eingesetzten Stäbe dank einem magnetischen System zu verlängern. Damit wir die Zahl an erneuten Operationen zur Verlängerung deutlich reduziert.»
Wächst das Kind, wird das Stützsystem in der Länge angepasst und durch eine asymmetrische Verlängerung die Kurve korrigiert. Die neuesten Verfahren ermöglichen es, die eingesetzten Stäbe dank einem magnetischen System zu verlängern. Damit wir die Zahl an erneuten Operationen zur Verlängerung deutlich reduziert. Im Jugendalter werden dann solche «Early-Onset-Skoliosen» aber auch Wachstums-bedingte Skoliosen über 45° in der Regel mit Schrauben und Stäben im Bereich der Verkrümmung vorsichtig korrigiert und versteift. Es wird hierbei eine Verwachsung der Wirbelsäulensegmente angestrebt. Das metallene Stützsystem wirkt zunächst als Rahmenkonstrukt, bis die knöcherne Fusion (Verbindung) zwischen den Segmenten stattgefunden hat, und wird normalerweise im Körper gelassen. Auch nach der Operation sind regelmässige Kontrollen bei einem spezialisierten Skoliose-Zentren nötig, um unerwünschte Veränderungen frühzeitig erkennen zu können.
Wie der Körper das Metall im Rücken erlebt
Die in der Operation eingesetzten Stützsysteme bestehen aus bestem körperverträglichem Metall, wie es für viele Operationen im Bereich der Knochen verwendet wird. Am häufigsten wird das Material heute bei Hüftoperationen verwendet, und zwar in einer einem Skoliose-Stützsystem vergleichbaren Menge. Damit gibt es bereits etliche Studien zu den Auswirkungen von Metall im Körper. Insgesamt kann man sagen, dass das verwendete Material gut verträglich ist. Es zeigt sich jedoch, dass durch die Abnutzung und Korrosion des Metalls ionische oder metallische Kleinpartikel entstehen, die in den Körper gelangen. Im das Implantat umschliessende Gewebe ist die Konzentrationen von Metallionen erhöht.
«Es gibt etliche Studien zu den Auswirkungen von Metall im Körper. Insgesamt kann man sagen, dass das verwendete Material gut verträglich ist.»
Auch in den Blut- und Lymphbahnen sind mehr Metallionen zu finden. Folglich gelangen diese auch in die Organe, was noch nicht ausreichend erforscht ist. Hingegen konnte kein erhöhtes Risiko festgestellt werden, an Tumoren zu erkranken. Die Metallionen-Konzentration im Blut vermindert sich im Laufe der Zeit. Dies wohl, weil sich das Metall nach erfolgter Versteifung weniger abnutzt. In der Regel wird das Metall vom Körper gut toleriert. Selten lockern sich Schrauben, was zu einer erneuten Operation führen kann. Noch seltener drücken grössere Ansammlungen von Metall (Metallosen) auf die Neven in der Wirbelsäule.
Dank Forschung werden nicht operative Behandlungen verbessert
Was die Gründe für eine abnormale Entwicklung der Wirbelsäule im Kindesalter ist, ist oft unklar. Die Forschung setzt deshalb alles daran, Ursachen und alternative Behandlungsmethoden zu erforschen. In einem gemeinsamen Forschungsprojekt wird am Balgrist und am Kinderspital Zürich speziell die Wirkung von hochdosiertem Vitamin D und Kalzium auf die Entwicklung der Wirbelsäule bei Skoliose-Patientinnen und -Patienten erforscht. Im Bereich der Behandlungsmethoden arbeitet Balgrist Tec AG, daran, immer bessere und komfortablere Korsetts herzustellen. Speziell der 3D-Druck ermöglicht, die Korsetts sehr genau auf das Individuum und die spezifischen Probleme hin zu konstruieren. Damit erreicht man eine optimale Stützfunktion. Atmungsaktive Materialien führen ebenfalls zu mehr Tragekomfort, müssen die Korsetts doch für eine optimale Wirkung praktisch rund um die Uhr getragen werden.