Herr Professor Farshad, was genau ist eine endoskopische Wirbelsäulenoperation?
Prof. Farshad: Ganz einfach gesagt: Statt grosser Hautschnitte nutzt der Chirurg oder die Chirurgin eine winzige Kamera und präzise Instrumente, um durch einen kleinen Hautschnitt direkt zur betroffenen Stelle an der Wirbelsäule zu gelangen – gewebeschonend, sicher und mit deutlich kürzerer Erholungszeit.
Was sind die Vorteile für Patientinnen und Patienten?
Prof. Farshad: Vor allem weniger Schmerzen nach der Operation, weniger Bedarf an Schmerzmitteln, schnellere Mobilisation und oft auch ein kürzerer Spitalaufenthalt. Zudem entstehen kleinere Narben, was nicht nur kosmetisch, sondern auch medizinisch relevant ist – etwa weil das Infektionsrisiko deutlich geringer ist.
Was ist der Unterschied zwischen einer endoskopischen und einer minimalinvasiven Wirbelsäulenoperation?
Prof. Farshad: Die Begriffe werden oft gleichgesetzt, meinen aber nicht dasselbe. „Minimalinvasiv“ beschreibt allgemein Operationen, die Gewebe möglichst wenig verletzen – etwa durch kleine Hautschnitte oder spezielle Instrumente. Die endoskopische Technik ist eine Form der minimalinvasiven Chirurgie, bei der zusätzlich eine Kamera eingesetzt wird, die dem Operateur eine stark vergrösserte Sicht auf das Operationsfeld ermöglicht. Dadurch kann noch präziser und gewebeschonender gearbeitet werden. Kamera und Werkzeuge werden durch Kanäle an die Stelle gebracht, wo operiert wird.
Ist die Methode genauso sicher wie klassische offene Eingriffe?
Prof. Farshad: Ja. Studien zeigen, dass die Komplikationsraten vergleichbar oder sogar tiefer sind. Wichtig ist allerdings: Die Methode gehört in erfahrene Hände. Wer endoskopisch operiert, muss im Notfall sofort auf eine offene Technik umsteigen können – das erfordert breite chirurgische Kompetenz.
Bei welchen Erkrankungen kommt die Endoskopie zum Einsatz?
Prof. Farshad: Vor allem bei Bandscheibenvorfällen und Spinalkanalverengungen – also dort, wo Druck auf die Nerven besteht. Auch an der Hals- und Brustwirbelsäule ist der Einsatz heute möglich. In ausgewählten Fällen behandeln wir sogar gutartige Tumoren oder Zysten endoskopisch. Sogar endoskopisch-assistierte Versteifungsoperationen werden bei uns durchgeführt.
Gibt es Risiken?
Prof. Farshad: Natürlich. Jede Operation hat Risiken – aber die Infektionsrate liegt bei der Endoskopie bei gerade einmal 0,001 Prozent. Das ist im Vergleich zur klassischen Chirurgie extrem tief. Es kann jedoch, wie bei allen Eingriffen, zu Nervenirritationen, Duraläsionen oder Blutergüssen kommen. Entscheidend ist die richtige Indikationsstellung.
Und wie sieht die Zukunft dieser Technik aus?
Prof. Farshad: Die Endoskopie wird eine feste Säule in der Wirbelsäulenchirurgie, auch wenn dieses Operationskonzept in der Schweiz noch nicht breit angekommen ist. Künftig erwarten wir weitere Innovationen – in welchen die Universitätsklinik Balgrist international eine führende Rolle spielt. Für Patientinnen und Patienten bedeutet das: noch präzisere, schonendere und individualisierte Eingriffe.
Welche Rolle spielt die Universitätsklinik Balgrist bei dieser Entwicklung?
Prof. Farshad: Eine führende Rolle, wie gesagt. Die Endoskopie-Technik tauchte in der Schweiz erstmals vor knapp 40 Jahren auf. Damals publizierten zwei Wirbelsäulen-Spezialisten des Balgrist wegweisende wissenschaftliche Arbeiten. Heute ist Balgrist in der Forschung und Entwicklung der Endoskopie im Bereich der Wirbelsäule international ganz vorne mit dabei. Um diese schonende und vorwiegend ambulant durchgeführte Methode breit zur Verfügung zu stellen, haben wir die EndoSpine Academy gegründet. Internationale Experten lehren ausgewählten Chirurginnen und Chirurgen die Feinheiten dieser Technik.
Vielen Dank für das Gespräch.