Diese Frage treibt die Forschung des Labors für Orthopädische Biomechanik der ETH Zürich, der Universität Zürich und der Universitätsklinik Balgrist an. Wir haben bei Prof. Dr. Jess Snedeker nachgefragt. Er ist Leiter des Labors und stellvertretender Direktor der Orthopädie-Forschung am Balgrist.
Jess Snedeker, worum handelt es sich bei der Biomaterialforschung?
Jess Snedeker: «Biomaterialien sind synthetische oder natürliche Materialien, aus denen medizinische Implantate bestehen. An der Universitätsklinik Balgrist werden Implantate täglich verwendet, um beispielsweise Gewebe oder Gelenke zu ersetzen. Damit können wir unseren Patientinnen und Patienten helfen, die ursprüngliche Funktion ihres Bewegungsapparates wiederzuerlangen. Bei unserer Forschung konzentrieren wir uns darauf, diese Biomaterialien zu erforschen, um die Wundheilung unserer Patientinnen und Patienten zu fördern. Einige Wunden heilen besser als andere. Oft verschlechtert sich der Heilungsprozess, je älter wir werden. Junge Menschen heilen also in der Regel schneller und besser, ältere langsamer und schlechter. Gleichzeitig hängt der Heilungsverlauf auch stark von der Qualität der eingesetzten Biomaterialien ab. Genau hier setzt unsere Forschung an.»
Wie haben Sie herausgefunden, dass die Biomaterialforschung Ihre Leidenschaft ist?
«Die Forschung zu Biomaterialien hat mich schon früh in meiner Karriere gepackt. Unsere Grundlagen-Forschung beschränkt sich nicht nur auf wissenschaftliche Publikationen. Im Gegenteil: Neue Biomaterialien können direkt in der klinischen Praxis eingesetzt werden und potenziell Millionen von Menschen helfen.»
Können Sie ein Beispiel nennen?
«Die Materialien für Nadeln und Nahtfäden haben sich in den letzten 50 bis 60 Jahren kaum verändert. Wir versuchen, auf Basis unseres Wissens über die Interaktion des menschlichen Körpers mit verschiedenen Materialien neue, wissenschaftlich fundierte Ansätze zur Verbesserung dieser Nahtmaterialien zu entwickeln. Es ist erstaunlich, wie viel Raum für Innovation selbst in den alltäglichsten Bereichen der klinischen Praxis noch vorhanden ist.»
Was wäre Ihr ultimatives Ziel in Ihrem Forschungsfeld? Oder kann es so etwas überhaupt geben?
«Es geht Schritt für Schritt voran. Jede chirurgische Indikation bietet Raum für Innovation, und es gibt überall Verbesserungsbedarf. Es gibt eine lange Liste von klinischen Fragestellungen und Herausforderungen, sei es im Knie, an der Schulter, der Wirbelsäule und so weiter. Einige dieser Probleme sind globale Herausforderungen, die nicht von einem einzelnen Team, sondern nur durch eine ganze Forschungsgemeinschaft gelöst werden können. Daneben gibt es aber auch kleinere Herausforderungen, die durch eine gute Idee im Labor und einige Tests gelöst werden können. Ich hoffe, dass ich bis zu meiner Pensionierung ein paar kleine Probleme gelöst, ein mittelgrosses Problem bewältigt und vielleicht einen Beitrag zur Lösung einiger der grossen Herausforderungen geleistet habe.»
Was treibt Sie an, jeden Tag zu forschen?
«Meine Motivation kommt aus zwei Richtungen. Zum einen bin ich Wissenschaftler, und meine Neugier ist eine starke Antriebskraft. Ich möchte verstehen, warum und wie Dinge funktionieren. Gleichzeitig bin ich Ingenieur. Das gibt mir eine andere Perspektive auf die Funktionsweise der Dinge und die Möglichkeit, Lösungen zu entwickeln. Legt man diese beiden Perspektiven zusammen, dann ist es der Wunsch nach grundlegenden Entdeckungen und Einblicken in das, was wir noch nicht wissen. Vielleicht verbessern wir dadurch das Leben eines einzigen Menschen, vielleicht das von vielen oder sogar Millionen. Der Gedanke, dass unsere Arbeit tatsächlich einen Unterschied machen könnte – sei es in Zürich, in der Schweiz oder weltweit – ist unglaublich motivierend.»
Jess Snedeker, besten Dank für das Interview.
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