Das Interview führte Jvan Steiner, Digital Media Manager Unternehmenskommunikation
Wie sie die 1000 km über zahlreiche Alpenpässe quer durch die Schweiz bewältigten und welchen Stellenwert Bewegung in ihrem Alltag hat, erzählen die beiden im Interview.
Ihr habt die «Tortour» absolviert und in der Kategorie Mixed gewonnen. Herzliche Gratulation! Wie war es?
Simona: Wetterbedingt war es tatsächlich eine Tortur. Es hat oft geregnet und es war kühl. Es gab aber auch schöne Momente, ich hatte Hochs und Tiefs. Fast 48 Stunden am Stück wach sein zu müssen zehrte an den Kräften. Das Gefühl, wenn du morgens in der Dämmerung losfährst, dir die Augen fast zufallen und du weisst, dass noch viele strenge Kilometer vor dir liegen. Das war ein Moment, wo ich mich fragte: Warum mache ich das überhaupt? Es gab aber auch schöne Momente, z.B. als das Team uns am Streckenrand anfeuerte und dann natürlich der Zieleinlauf.
Silvia: Ich kannte die «Tortour» bisher nicht. Es bleiben viele positive Erinnerungen, obwohl ich mir selbst zu Beginn sehr viel Druck auferlegte.
Sind die Strapazen vergleichbar mit einem Marathon? Wie habt ihr euch nach dem Rennen gefühlt?
Simona: Bei mir überwog die Freude und ich bin stolz, dass wir es gemeinsam als Team geschafft haben. Ich war die ganze Zeit über einfach extrem müde, vor allem der Schlafmangel hat mich beeinträchtigt. Körperlich ging es mir sonst aber gut.
«Ich bin positiv überrascht, wie unsere Körper das aushielten.»
Silvia: Glücklicherweise hatte niemand vom Team Beschwerden. Und ich musste nicht stationär in die Physiotherapie (lacht). Da ich schon einen Marathon absolviert habe, kenne ich die körperlichen Strapazen. Die «Tortour» ist sicher noch etwas härter einzuschätzen, und zwar aufgrund des Schlafmangels. Das war der strengste Aspekt am Rennen. Wir starteten jeweils um 3 Uhr nachts mit entsprechend wenig Schlaf. Am Vorabend fuhren wir noch einen Prolog, um die Startzeit des Teams zu eruieren. Ich bin aber positiv überrascht, wie unsere Körper das ausgehalten haben.
Wie habt ihr euch auf das Rennen vorbereitet?
Simona: Ich bin dieses Jahr mehr Rennvelo gefahren und hatte einen groben Trainingsplan über den Sommer. Die Länge der Etappen (zwischen 50 und 70 km) waren nicht die grosse Herausforderung. Ich bin mich gewohnt, längere Strecken zu fahren. Was man bei der Vorbereitung auf die Tortour aber nicht trainieren kann, ist die Dauer des Rennens. Wie wird der Körper nach der zweiten Freinacht reagieren? Wie werden wir in die letzten Etappen starten?
Silvia: Meine Vorbereitung war nicht sportspezifisch. Mitte Mai hatte ich noch einen Unfall und konnte einen ganzen Monat keinen Sport machen. In der Zeit, die mir blieb, wollte ich möglichst viele Kilometer sammeln. Als mentale Vorbereitung habe ich die meisten Strecken im Vorfeld bereits absolviert. Zwei Wochen vor dem Start habe ich meine Sporteinheiten reduziert, und die Woche davor gar keinen Sport mehr gemacht und Spaghetti gegessen.
Seid ihr Typ Gravel Bike, Rennvelo oder Mountainbike?
Simona: Im Herzen bin ich eine Mountainbikerin und das Gravel Bike sagt mir nicht zu. In den Bergen will ich Spass haben und da achte ich somit auf ein gut gefedertes Bike.
Silvia: Ich bin ein Velo-Newbie und es ist mein erstes Jahr, wo ich überhaupt viele Kilometer auf dem Velo absolviere. Ich bin eine Rennvelo-Fahrerin, schaue mir aber ein Gravel Bike an, um es auf dem Weg zur Arbeit zu nutzen.
Welchen Stellenwert hat Bewegung in eurem Leben?
Simona: Ich bin sehr aktiv unterwegs und Bewegung hat einen grossen Stellenwert. Ein Leben ohne Sport kann ich mir nicht vorstellen. Mein Antrieb ist die Freude und die Lust an der Bewegung, ohne eine ungesunde Verbissenheit zu entwickeln. Ich mag die kleinen und grösseren Herausforderungen in Form von Sport sehr.
«Ein Leben ohne Sport kann ich mir nicht vorstellen.»
Silvia: Im Jugendalter betrieb ich Schwimmen als Leistungssport, daher ist Sport für mich seit jeher Alltag. Mittlerweile probiere ich gerne verschiedene Sportarten aus. Wenn ich zu lange keinen Sport mache, fühle ich mich unwohl. Es fängt mich an zu zwicken, weil die Muskeln zu wenig bewegt werden.
Welche Ultra-Challenges sind als nächstes geplant?
Simona: Ich absolviere ein bis zwei Mountainbike-Rennen pro Jahr. Nächstes Jahr steht die Strecke Zürich–Zermatt auf dem Programm, die ich zusammen mit meinem Partner absolvieren werde.
Silvia: Ich setze gerne Ziele in der Zukunft und freue mich auf die Vorbereitung. Dieses Jahr wollte ich meinen ersten Triathlon in olympischer Distanz absolvieren. Leider hat es aufgrund meines Unfalls nicht geklappt. Da ich aber vom Schwimmsport komme, schon oft gerannt bin und nun die Rennerfahrung auf dem Velo dazu kam, ist es fast schon logisch, dass ich die drei Disziplinen zusammennehme. Nächstes Jahr will ich mich zudem mit meinen Kolleginnen stärker auf das Trail Running fokussieren.
Was macht euch als Physiotherapeutinnen am meisten Spass?
Simona: Ich finde die Interaktion mit den Menschen sehr bereichernd. Auch wenn die Patienten ähnliche Probleme haben, ist jede und jeder individuell. Es ist schön, Fortschritte zu sehen und sie dabei zu unterstützen, dass sie ihre Ziele erreichen können.
«Mein absolutes Highligt? Menschen mit Para- oder Tetraplegie bis zum Sport zu begleiten.»
Silvia: Ich arbeite in einem Nischenbereich der Physiotherapie, im Zentrum für Paraplegie. Für mich bedeutet meinen Patienten wieder neue Bewegungsabläufe zu lernen, ihnen durch viele Repetitionen wieder zu einem selbständigen Alltag zu verhelfen – sei es im Rollstuhl oder mit Hilfsmitteln. Zu sehen, dass die Patienten das, was ich mit ihnen über Wochen trainiere, funktioniert, und sie es im Alltag anwenden können, gibt mir viel zurück. Es motiviert mich, jeden Tag zur Arbeit zu kommen. Mein absolutes Highlight ist es, wenn ich Menschen mit Para- oder Tetraplegie bis zum Sport begleiten kann.
Wie lassen sich Menschen mit Beeinträchtigungen zu mehr Bewegung motivieren?
Silvia: Das ist sehr individuell. Ich treffe oft die Situation an, in der Menschen nebst körperlichen Einschränkungen auch psychische Probleme haben, seien es Depressionen oder andere psychische Erkrankungen. Dann ist es sicher schwer, die Menschen zu motivieren, es braucht mehr extrinsische Motivation. Ich erlebe es oft, dass Paraplegiker nach ein bis zwei Jahren im Rollstuhl parat sind, sich für eine neue Sportart zu interessieren.
Simona: Auch in der orthopädischen Physiotherapie erlebe ich dahingehend unterschiedliche Patientinnen und Patienten. Von hochmotivierten Menschen, die ich bremsen muss bis hin zu solchen, denen der Antrieb komplett fehlt. Mein Ziel ist es, Patientinnen und Patienten so gut wie möglich zu motivieren und zu unterstützen, damit sie ihre Ziele erreichen können.
Was schätzt ihr besonders an der Universitätsklinik Balgrist?
Simona: Wir sind ein grosses Team mit unterschiedlichen Richtungen der Spezialisierung wie untere oder obere Extremitäten, Wirbelsäule etc. Trotz unseres eng getakteten Terminplans in der Patientenbehandlung bleibt Zeit für einen Austausch. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den anderen Disziplinen macht die Arbeit sehr bereichernd.
Silvia: Auch ich schätze es, dass wir verschiedene Physio-Teams haben. Wenn man einen Rollstuhlfahrer mit Schulterproblemen hat und nicht mehr weiterweiss, kann man einfach eine Kollegin oder einen Kollegen aus dem Schulterteam anrufen. Das resultiert dann in einem wertvollen Austausch, wo wir voneinander lernen können. Jeder ist auf seinem Gebiet spezialisiert – so profitiere ich auch vom orthopädischen Fachbereich. Im Zentrum für Paraplegie schätze ich den interdisziplinären Austausch, sei es mit der Pflege oder den Ärzten. Wir pflegen eine Du-Kultur und Hierarchien sind kaum spürbar.