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Ein junger Mann begiesst sich mit kaltem Wasser.
Gesundheit

«Kalt duschen lohnt sich»

Kälte töte Bakterien, sei gut für den Kreislauf, führe zu Frostbeulen, sei gefährlich für Menschen mit Herzproblemen und so weiter. Was ist wahr? Prof. Dr. med. Johannes Scherr, Chefarzt und Leiter des Universitären Zentrums für Prävention und Sportmedizin an der Zürcher Universitätsklinik Balgrist, kennt Antworten.

Das Interview führte Werner Schüepp, Redaktor der Verbandszeitschrift «Bewegung und Gesundheit»

Was belastet den Körper mehr: Hitze oder Kälte?

Das ist nicht so einfach zu beantworten, denn starke Hitze oder eisige Kälte sind von der Empfindung her immer subjektiv und hängen von diversen Einflussfaktoren ab. Wenn ich zum Beispiel einen Nordpolbewohner frage, was für ihn belastender ist, dann lautet seine Antwort: «die Hitze», während es für einen Bewohner der Sahara die Kälte ist. Eine grosse Rolle spielt hierbei die Akklimatisation an die Umgebungstemperatur. Bei einem Inuit zum Beispiel läuft der Stoffwechsel anders ab als bei jemandem, der am Äquator wohnt. Das Schöne ist: Unser Körper hat die Möglichkeiten, sowohl der Kälte als auch der Wärme entgegenzuwirken.

«Kälte erhöht das Risiko von Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen. Aufpassen, gerade jetzt im Winter, sollten Menschen mit vorbestehenden Herzerkrankungen.»

Wie äussert sich das beim Menschen? Mit Schwitzen?

Genau, denn Schwitzen ist nichts anderes als das Reduzieren der Körperwärme. Es gibt allerdings eine Einschränkung: Der Mensch kann nur schwitzen, wenn er genügend Flüssigkeit zu sich nimmt. Das Gewöhnen an ausserordentliche Klimabedingungen, sei es Wärme oder Kälte, kann man trainieren. Sportler, die in einem Land mit hoher Luftfeuchtigkeit und heissen Temperaturen einen Marathon absolvieren, passen sich im Vorfeld ganz bewusst an diese extremen Bedingungen an, das heisst, sie trainieren das Schwitzen.

Tiefe Temperaturen strapazieren die Gesundheit, können für den Körper zu einer Belastung werden. Wer sollte vermeiden, sich bei grosser Kälte zu verausgaben?

Kälte erhöht das Risiko von Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen. Aufpassen sollten in erster Linie also Menschen mit vorbestehenden Herzerkrankungen. Ein Beispiel, weil jetzt Winter ist: Geht eine herzkranke Person, wenn der erste Schnee fällt, vor das Haus, um Schnee zu schaufeln, ist das ein Risiko. Denn Kälte kann bestehende Erkrankungen beziehungsweise deren Effekte verschlimmern und das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfälle vergrössern.

Abgesehen von Herzkranken, wer sollte bei Kälte ebenfalls vorsichtig sein?

Lungenpatienten. Kalte Luft ist trockener als warme, weshalb sie weniger Feuchtigkeit enthält. Wer mit seinen Bronchien Probleme hat, bei dem kann grosse Kälte zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands führen. Dies äussert sich oft in anstrengendem Keuchen oder einem auftretenden Engegefühl in der Brust.

«Viele Menschen schwören auf das kalte Wasser als Muntermacher. Es kann sich durchaus lohnen, abwechslungsweise kalt und warm zu duschen. Es ist unter anderem gut für die Blutgefässe.»

Kälte kann den Körper stärken, Stichwort kalte Duschen. Ist das so?

Abwechslungsweise kalt und warm zu duschen, das sogenannte Wechselduschen, hat sicher einen positiven Effekt. Es stärkt – wie bereits in Studien nachgewiesen werden konnte – das Immunsystem, ist gut für die Blutgefässe, für Haut und Haare und hilft sogar beim Fettverbrennen. Die Hydrotherapie nach Kneipp, die mit heissem und kaltem Wasser arbeitet, ist seit dem 19. Jahrhundert ein fester Bestandteil der Naturheilkunde. Viele Menschen schwören auf das kalte Wasser als Muntermacher. Es kann sich lohnen, das kalte Duschen einmal auszuprobieren.

Weshalb frieren Frauen generell schneller als Männer?

Dies liegt an der unterschiedlichen Körperkomposition der beiden Geschlechter. Bei Männern kommt es in der Pubertät dank des Hormons Testosteron zu einem gegenüber Frauen deutlich vermehrten Muskelwachstum. So haben Männer nach der Pubertät circa 40 Prozent mehr Muskeln. Diese müssen durchblutet werden und produzieren bei Anspannung auch Wärme. Während Männer quasi ein inneres Kraftwerk besitzen, sind Frauen von Natur aus besser isoliert. Durch den höheren Fettanteil (15 bis 25 Prozent) ihres Körpers halten sie sich warm. Demgegenüber steht, dass Frauen eine grössere Körperoberfläche in Relation zum Körpergewicht haben und somit leichter Wärme abgeben. Auch die weiblichen Geschlechtshormone wie zum Beispiel Östrogen scheinen eine Rolle zu spielen. Diese führen zu einer Erweiterung der Blutgefässe und somit zu einer vermehrten Durchblutung der Hände und Füsse. Dies führt zu einem vermehrten Wärmeverlust. Bei kalter Umge-bungstemperatur wird die Durchblutung der Extremitäten iedoch reduziert, sodass Ohren, Nase, Füsse und Hände abkühlen. Die Information, dass der Körper auskühlt, wird dem Hirn von Frauen schneller gemeldet. Alles zusammengenommen sind dies die Gründe, weshalb Frauen schneller frieren.

Kann Kälte krank machen?

Ob Kälte es den Viren leichter machen könnte, die Abwehrkräfte des Körpers zu überwinden, ist in wissenschaftlichen Studien umstritten. Es scheint jedoch so, dass eingeatmete kalte Luft, Abkühlung der Körperoberfläche und Kältestress durch Absenkung der Körperkerntemperatur zu Reaktionen wie Gefässverengung in den Schleimhäuten der Atemwege und Unterdrückung der Immunreaktion führen. Diese sind dann für eine erhöhte Infektanfälligkeit verantwortlich. Auf der anderen Seite zeigen Studien, dass gezielt eingesetzte Kälte das Immunsystem stärken kann und bei der Abwehr von Erregern hilft, wenn wir uns für kurze Zeit Kälte aussetzen – wie unter der Dusche.

«Mit Kältetherapien ist es möglich, Entzündungen zu hemmen oder Schmerzen zu lindern, denn mit zunehmender Abkühlung wird das Gewebe unempfindlicher gegenüber Schmerz.»

Wird Kälte zur Heilung eingesetzt?

Ja, die medizinische Behandlung mit Kälte wird als Kryotherapie bezeichnet. Dabei nutzt man den Temperaturunterschied zwischen dem Körper und seiner Umgebung oder einem kalten Objekt, um ihn als Ganzes oder nur an bestimmten Stellen abzukühlen.

Was für eine Wirkung zeigt das?

Mit solchen Therapien ist es möglich, Entzündungen zu hemmen oder Schmerzen zu lindern, denn mit zunehmender Abkühlung wird das Gewebe unempfindlicher gegenüber Schmerz. Das Schmerzempfinden des Patienten verringert sich deutlich. Ich denke da beispielsweise an Rheumapatienten, die über Schmerzen in den Gelenken klagen.

Wenn Sie selbst wählen könnten zwischen Hitze und Kälte, wie würden Sie sich entscheiden?

Ich habe beide Zustände, sowohl extreme Hitze wie extreme Kälte, am eigenen Körper erfahren; beides ist unangenehm. Ich würde mich aber für die extreme Kälte entscheiden, weil man gegen sie mehr machen kann. Es stehen einem die besseren Hilfsmittel zur Verfügung, etwa ein Thermoanzug, mit denen man sich schützen kann. Auch körperliche Aktivität wirkt der Kälte entgegen. Gegen Hitze lässt sich nicht viel machen. Da muss der Körper durch vermehrtes Schwitzen selbst abkühlen.

Prof. Dr. med. Johannes Scherr 

ist mit Herzblut Sportmediziner und war schon an diversen Olympischen Spielen im Einsatz. Im Balgrist liegt sein Fokus auf der Sport- und Bewegungsmedizin, die auch Themen wie die Kinder-Sportmedizin oder «Frau und Sport» beinhaltet. Seit 1. Mai 2019 leitet Scherr das Universitäre Zentrum für Prävention und Sportmedizin.

Haben Sie Fragen zum Artikel? Dann melden Sie sich gerne via kommunikation@balgrist.ch