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Infiltration am Rücken
TherapienGesundheit

Wann Infiltrationen helfen

Kürzlich erschien im British Medical Journal eine Metaanalyse zu Infiltrationen bei Rückenbeschwerden. Diese führte dazu, dass eine Kommission im selben Journal davon abriet, solche Injektionen durchzuführen. Die Empfehlung fand Nachhall in Schweizer Medien wie dem Tages-Anzeiger oder Saldo. Was ist dran an der Behauptung, Infiltrationen zeigten bei Rückenweh keine Wirkung? Prof. Dr. med. Mazda Farshad, medizinischer Direktor der Universitätsklinik Balgrist und Chefarzt Orthopädie und Wirbelsäulenchirurgie klärt auf.

Prof. Farshad, in einer Studie im British Medical Journal (BMJ) wird die Wirksamkeit von Infiltrationen in die Wirbelsäule in Frage gestellt. Ist sie wirklich so nutzlos wie behauptet?

Mazda Farshad (MF): Es gibt grundsätzlich zwei Gründe für eine Wirbelsäuleninfiltration, die eine nichtchirurgische Behandlung von Rückenschmerzen darstellt: Der erste Grund ist, eine diagnostische Aussage zu erhalten, ob ein Schmerz von einer bestimmten anatomischen Stelle ausgeht. Wenn der Schmerz weniger wird, nach kurzer Zeit aber wieder zurückkehrt, dann wissen wir, dass wir die richtige Stelle erkannt haben, dass aber wohl eine Operation notwendig sein wird, damit der Patient oder die Patientin über längere Zeit schmerzfrei bleibt. Wenn der Schmerz gar nicht zurückgeht, dann geht er eventuell auch nicht von der Stelle aus, wo infiltriert wurde, wobei hier Ausnahmen vorbehalten sind: Eine wichtige Einsicht für die weitere Behandlung.

Und der zweite Grund?

MF: Der zweite Grund ist eine therapeutische Behandlung der Schmerzen. Dabei gehen wir von einer Wirkdauer von einigen Wochen bis mehreren Monaten aus. Die Behandlung wird den Schmerz also nicht für immer nehmen, aber ein Teil der Patienten kann so erfolgreich mit Infiltrationen behandelt werden, dass eine Wirbelsäulenoperation vermieden werden kann.

Was entscheidet darüber, ob eine Infiltration wirkt?

MF: Für eine wirksame Infiltration ist es essenziell, vorher zu überprüfen, ob sie notwendig und sinnvoll ist. Dies macht einen grossen Unterschied aus. Dennoch ist bei einem Teil der Patientinnen und Patienten schwierig vorherzusagen, ob eine Wirkung eintreten wird.  Gerade bei älteren Personen sind häufig degenerative Veränderungen und Engstellen an vielen Stellen vorhanden, was eine Infiltration weniger wirksam macht. Da ergeben sich dann auch komplexe Krankheitsbilder. Dann ist es nicht seriös, nur eine isolierte Behandlung von vielen anzuschauen und zu beurteilen. Man muss immer das Gesamtbild sehen.

Haben Sie wissenschaftliche Evidenz für den Nutzen dieser Infiltrationen?

MF: An der Universitätsklinik Balgrist erforschen wir seit mehr als zwei Jahrzenten die Wirkung von Nerveninfiltrationen. Unsere Studien haben mehrfach gezeigt, dass unterschiedliche Formen der Infiltration vielen Patientinnen und Patienten helfen: Bei der Nervenwurzelinfiltration wird ein Medikament direkt an eine schmerzende Nervenwurzel gespritzt. Bei der epiduralen Infiltration gelangt das Mittel in den Spinalkanal. Beide Verfahren können Schmerzen im Rücken oder in den Beinen wirksam lindern, wenigstens für eine gewisse Zeit.

Und wieso kommt dann die Studie im BMJ zu andere Ergebnissen?

MF: Zuerst muss man wissen, dass es sich dabei um eine Metaanalyse handelt. Es wurden also vorhandene Studien ausgewertet. Die eingeschlossenen Studien sind teilweise sehr alt, ein Drittel der Studien sind mehr als 15 Jahre alt. Nur in zwei Drittel der Studien wird über eine vorgängige Bildgebung berichtet, was essentiell ist für eine korrekte Indikationsstellung, also ob eine Infiltration sinnvoll und angezeigt ist.

Gibt es weitere Mängel?

MF: Ja, es wurde etwa nicht zwischen Nervenwurzel- und epiduralen Infiltrationen unterschieden, obwohl sie jeweils für andere Beschwerden geeignet sind und unterschiedliche Ergebnisse zeigen. Auf Deutsch würde man sagen, es wurden «Kraut und Rüebli gemischt», es wurden sogar Patienten eingeschlossen, die keine Nervenkompressionen haben. Und ganz wichtig: Es wurden Studien berücksichtigt, bei denen keine Bildgebungskontrolle durchgeführt wurde. Bei Infiltrationen ohne Bildgebungskontrolle kann man nicht oder nur schlecht überprüfen, ob die Injektion wirklich an der richtigen Stelle durchgeführt wurde. Diese Studien einzuschliessen, ergibt keinen Sinn. Diese Metaanalyse bringt im klinischen Alltag deshalb keinen Mehrwert.

Die Bildgebungskontrolle wird am Balgrist immer durchgeführt?

MF: Selbstverständlich!

Wie also beurteilen Sie die Analyse im BMJ?

MF: Aus unserer Sicht ist der Schluss der BMJ-Metaanalyse, dass eine Infiltration bei chronischen Rückenschmerzen generell wirkungslos ist, nicht zulässig. Es muss im Gegenteil bei jedem einzelnen Patienten und jeder einzelnen Patientin abgeklärt werden, welche Therapie, ob konservativ oder operativ, am erfolgversprechendsten ist.

Wie soll man vorgehen, wenn man an Rückenschmerzen leidet?

MF: Menschen, die Rückschmerzen haben, können sich bei uns melden. Rückenleiden haben verschiedenste Ursachen, die so individuell sind wie der Mensch selbst. Unsere Spezialistinnen und Spezialisten betrachten die Rückenleiden ganzheitlich und beurteilen, ob eine konservative Behandlung oder eine Operation notwendig ist. An der Universitätsklinik Balgrist arbeiten unsere Expertinnen und Experten aus verschiedenen Fachgebieten Hand in Hand und entscheiden zusammen mit Patientinnen und Patienten über die beste Behandlung.

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