Susanne Bandi, Unternehmenskommunikation
Unter einem diabetischen Fuss versteht man eine Schädigung des Fusses infolge einer Diabetes mellitus. Wenn der Zucker im Blut über längere Zeit erhöht ist, kann es zu krankhaften Veränderungen am Fuss kommen. Möglich sind Nervenschädigungen, sowohl der Gefühlsnerven, als auch der motorischen Nerven, die die Bewegungen auslösen, und der autonomen Nerven, die zum Beispiel das Schwitzen, die Feuchtigkeit der Haut am Fuss, steuern. Das DFS kann auch Gefässe schädigen, so dass häufig auch Durchblutungsstörungen auftreten. Diese Schäden führen dazu, dass es am Fuss Probleme gibt wie offene Stellen (Ulcera), speziell über Knochenvorwölbungen, vor allem wenn das Schuhwerk nicht mehr gut passt. Eine eher seltene aber schwerwiegende Komplikation ist der sogenannte Charcot-Fuss. Wegen der Nervenschädigungen kann es zu einem Zusammenbruch des Fussgewölbes kommen und es können Knochen und Gelenk zerstört werden – ohne dass die Betroffenen Schmerzen empfinden.
Häufige Komplikation bei erhöhtem Blutzucker
Das DFS betrifft in der Regel Personen, die bereits länger an Diabetes leiden und bei denen der Blutzucker schlecht eingestellt ist. Wenn der Blutzucker gut eingestellt ist, sollte kein diabetisches Fusssyndrom entstehen. Wenn die Werte aber über längere Zeit erhöht sind, dann kommt es zu Schädigungen an den Nerven und den Gefässen.
«Als Faustregel gilt: Es braucht etwa fünf Jahre mit erhöhten Blutzucker-Werten, bis es zu Schädigungen kommt.»
Wie lange es braucht, wissen wir nicht genau. Ein Grund ist, dass viele Diabetikerinnen und Diabetiker mit Diabetes Typ 2 gar nicht wissen, dass sie krank sind. Damit wissen wir auch nicht, wie lange sie schon Diabetes und einen erhöhten Blutzucker haben. Als Faustregel gilt: Es braucht etwa fünf Jahre mit erhöhten Blutzucker-Werten, bis es zu Schädigungen kommt.
DFS erfolgreich behandeln
Wir erstellen zunächst ein Risikoprofil. Hat die Person eine Nervenstörung und wie stark ist sie? Hat er oder sie Fehlformen am Fuss, z. B. einen Spreizfuss, einen Hallux valgus oder Hammerzehen? Diese Fehlformen können auch ohne Diabetes entstehen und Probleme machen. Der Diabetes verschärft das Problem, da Menschen mit Diabetes und Neuropathie weniger Gefühl in den Füssen haben. Wenn sie normale Schuhe anziehen, ist das Risiko gross, dass sich dort, wo es sowieso Rötungen geben kann, ein Ulkus, eine offene Wunde bildet. Weil sie eben keine Schmerzen empfinden, sind sie nicht gewarnt. Normalerweise warnt uns der Schmerz, z. B. wenn es beim Wandern eine Blase an der Ferse gibt. Diesen Schutz durch den Schmerz haben Diabetikerinnen und Diabetiker nicht. Wenn dann noch eine Durchblutungsstörung hinzukommt, ist es noch gefährlicher. Sie sind noch anfälliger und die Wunden verheilen viel schlechter. Ein Ulcus ist die Eintrittspforte für Bakterien, die zu einer gefährlichen Infektion führen können. Wir versorgen die Patientinnen und Patienten nach ihrer Risikostufe.
«Normalerweise warnt uns der Schmerz, z. B. wenn es beim Wandern eine Blase an der Ferse gibt. Diesen Schutz durch den Schmerz haben Diabetikerinnen und Diabetiker nicht.»
Das heisst sie brauchen spezielles auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes orthopädisches Schuhwerk – nicht zu viel aber auch nicht zu wenig. Bei einer geringen Schädigung kann das eine Einlage sein, bei schwereren Schädigungen braucht es Schuhe nach Mass. Das Ziel ist, dass die Haut des Fusses geschlossen bleibt und keine offenen Stellen mehr auftreten. Bei offenen Stellen kann ein Gips zur Entlastung notwendig sein und bei Infektionen braucht es eine Behandlung mit Antibiotika. Im schlimmsten Fall, bei schweren Komplikationen, müssen wir operativ behandeln. Zum Beispiel, wenn ein Zeh abgestorben ist. Diese kleineren Eingriffe zielen darauf ab, den Gesamtfuss zu retten, damit es nicht zu einer Amputation kommt.
Interdisziplinäres Zusammenspiel für eine optimale Behandlung und Betreuung
Wir behandeln als Orthopäden alle Probleme am Fuss, ausser der Durchblutungsstörung, das ist Sache der Gefässmedizin. Die Behandlung eines diabetischen Fusses ist immer vernetzt. Sie ist in starkem Masse Teamwork. Beteiligt sind u. a. die medizinische Fusspflege, Orthopädie-Schuhtechnik, Wundpflegefachfrauen und –männer, Diabetologie, Neurologie, Angiologie und Infektiologie. Es braucht also eine ganze Reihe von Fachleuten.
«Beteiligt an der Behandlung eines diabetischen Fusses sind u. a. die medizinische Fusspflege, Orthopädie-Schuhtechnik, Wundpflegefachfrauen und –männer, Diabetologie, Neurologie, Angiologie und Infektiologie.»
Bei denjenigen Spezialistinnen und Spezialisten, die wir nicht im Balgrist haben, arbeiten wir mit externen Partnern zusammen, um die Patientinnen und Patienten gemeinsam optimal zu betreuen. Die Interdisziplinarität, das Fachwissen und kurze Wege sind entscheidend. Dadurch dass die Patientinnen und Patienten meist keine Schmerzen haben, werden die Schädigungen leider oft unterschätzt und zu spät erkannt. Für die Behandlung der Ursache, das heisst für die richtige Einstellung des Blutzuckers sind die Internisten und Diabetologinnen die Spezialisten.
Die Medizin weiterentwickeln
Aktuell steht die Behandlung von diabetischen Fussinfekten im Vordergrund. Wir haben den Eindruck, dass bei einem diabetischen Fussinfekt zu lange Antibiotika verabreicht werden. Hier läuft im Moment eine breit angelegte Studie, die eine kürzere und längere Behandlungsdauer miteinander vergleicht. Je länger und häufiger ein Antibiotikum verabreicht wird, desto grösser ist die Gefahr, dass sich Resistenzen entwickeln und das Medikament nicht mehr wirkt. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Charcot-Fuss als gravierende Komplikation. Hier haben wir eine Methode weiterentwickelt, wie wir den kollabierten Fuss operativ wieder rekonstruieren und anschliessend orthopädietechnisch optimal versorgen können.
InCube Challenge 2022: How to improve quality of life for patients with Type 2 diabetes trough smart digital solutions
Ich sehe hier durchaus Bedarf und ein grosses Potenzial. Ein Beispiel: Wir testen im Moment in Zusammenarbeit mit der ETH Textilien, die Informationen aufnehmen und weitergeben können. Wenn es zu einer übermässigen Belastung kommt, würden diese speziellen Socken eine Warnung an den Patienten senden. Wir arbeiten an intelligenten Systemen, die früh warnen können, präventiv wirken, die Behandlung unterstützen und schwerwiegende Komplikationen wie eine Amputation verhindern helfen.
Erfahren Sie mehr über die InCube-Challenge
Zivilisations- und Volkskrankheit
Diabetes ist eine Zivilisations- und Volkskrankheit, bei der die Zahlen massiv am Steigen sind. Ein Hauptgrund ist die Kombination von ungesunder Ernährung und zu wenig Bewegung. Es gibt aber auch genetische Faktoren, so ist die Diabetes-Rate in Indien höher als bei uns. Präventiv lässt sich durch gesunde massvolle Ernährung und mit Bewegung viel erreichen. Bei einem Diabetes Typ 1 und wenn sich der Blutzucker über die Ernährung nicht ausreichend beeinflussen lässt, braucht es sicherlich eine medikamentöse Behandlung (Insulin, Antidiabetika).