Von Nataliya Roner, Pflegefachperson im Zentrum für Paraplegie
In meiner neuen Funktion als Atmungstherapeutin im Zentrum für Paraplegie unterstütze ich Patientinnen und Patienten, Angehörige und betreuende Teams bei der Anwendung von atemunterstützenden Massnahmen, dem Einsatz neuer Techniken und beim Umgang mit dem Heimbeatmungsgerät. Ich beziehe früzeitig das enge Umfeld der Patientinnen und Patienten, betreuende Assistentinnen und Assistenten sowie Spitexangehörige ein und schule sie gezielt.
«Bereits vor meiner Weiterbildung zur Atmungstherapeutin betreute ich mit grossem Interesse tetraplegische Patientinnen.»
2021 habe ich berufsbegleitend die Ausbildung zur Atmungstherapeutin bei der Lungenliga begonnen. Im Balgrist arbeite ich auf zwei Abteilungen mit je 19 Betten. In der Regel begleite ich und das Pflegeteam auf einer Abteilung zwei Patienten mit invasiver Beatmung. Bereits vor meiner Weiterbildung zur Atmungstherapeutin betreute ich mit grossem Interesse tetraplegische Patientinnen. Diese sind aufgrund eines hohen Lähmungsniveaus entweder auf eine Entwöhnung von der maschinellen Beatmung oder auf eine lebenslange Assistenz und Beatmung angewiesen.
Schulungskonzept für das Zentrum für Paraplegie
Durch die stetige Weiterentwicklung meines atmungstherapeutischen Wissens und meiner pflegerischen und klinischen Erfahrungen konnte ich ein Schulungskonzept für das Zentrum für Paraplegie erstellen. Das Konzept unterstützt das interdisziplinäre Team und andere Ansprechsgruppen.
«Ein patientenorientiertes Monitoring ist notwendig, um langfristig die ideale Beatmungseinstellung festzulegen.»
Es fokussiert auf die unterschiedlichen Aspekte der therapeutischen Begleitung durch Fachdienste wie Physiotherapie und Pflegefachpersonen mit dem FA IPS sowie durch die Spitex, Pflegeinstitutionen, Angehörige und persönliche Assistenten. Bei der konzeptionellen Arbeit werde ich von einer Pflegeexpertin MScN, einer Pflegefachfrau FA IPS und der Stationsleitung unterstützt. Ich begleite die regelmässigen klinischen Visiten bei den beatmeten Patienten. Diese Visiten finden gemeinsam mit der zuständigen Oberärztin und dem interprofessionellen Team statt. Ein patientenorientiertes Monitoring ist notwendig, um langfristig die ideale Beatmungseinstellung festzulegen.
Ziele
- Weaning (Entwöhnung) bzw. Reduktion der Abhängigkeit vom Beatmungsgerät. Ziel ist es, die Atem- und Atemhilfsmuskulatur zu trainieren, um eine ausreichende Sauerstoffversorgung und Kohlendioxidausscheidung zu erreichen und das Wohlbefinden der Patienten zu verbessern.
- Optimieren des Sekretmanagments bei schwachem oder fehlendem Hustenstoss: Das Sekretmanagement wird optimiert, um bei schwachem oder fehlendem Hustenstoss die Sekretproduktion zu reduzieren und das Abhusten zu erleichtern.
- Üben und Kräftigen der Phonation bei eingelegter Trachealkanüle und unter Beatmung um die Lebensqualität durch Sprechen/Kommunikation zu steigern.
- Nach Möglichkeit den sicheren Schluckakt gwährleisten, um die orale Ernährung unter Beatmung zu erlernen, auch im Hinblick auf die Lebensqualität.
Die Atemfähigkeit von Patientinnen mit hoher Tetraplegie ohne Kanüle hängt von der Höhe der Querschnittlähmung und dem Ausmass der Rückenmarksverletzung ab. Nach einem Verletzungsereignis werden Patientinnen und Patienten vital stabilisiert in das Zentrum für Paraplegie zur Rehabilitation verlegt.
Zentraler Teil ist die Atemrehabilitation
Speziell geschulte Pflegefachpersonen und eine erfahrene, auf Beatmungsentwöhnung spezialisierte Oberärztin übernehmen mit mir die Patienten am Heimbeatmungsgerät von der Intensivstation. Die Einstellung am Beatmungsgerät erfolgt mittels Analyse der Blutgase. Es steht jederzeit ein Ersatzbeatmungsgerät bereit, ebenso wird häufig am Rollstuhl ein mobiles Beatmunsgerät installiert.
Die Rehabilitation der Atemfunktion und Sekretmobilisation erfordert die Mitarbeit der Patientinnen und Patienten. Mit einem festgelegten Therapieplan erfolgen Inhalationen, das Trainieren der Atmung, die Sekretmobilisation und das Sprechen. Die Unterstützung und ausreichende Schluckkraft ohne Residuen ermöglicht den Patienten Essen und Trinken auf natürlichem Weg zu geniessen – so dass die enterale Ernährung via PEG-Sonde reduziert werden kann. Dabei unterstützt uns eine in FOT-Therapie (Facio-Oraler Trakt) spezialisierte Physio- oder Ergotherapeutin.
Im Laufe der Rehabilitation werden paralell Angehörige, Assistenten von Patienten und die Spitex geplant und bedarfsgerecht von mir und dem Team geschult in der Versorgung des Tracheostomas, dem Kanülenmanagement, im Absaugen von Trachealsekret, in der Bedienung des Beatmungsgerätes und der Bewältigung von Notfallsituationen. Eine vertrauensvolle Beziehung zwischen den Patienten und Beteiligten ist die beste Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit und sichere Beatmungssituation.
Unterstützung im häuslichen Umfeld
Die Vielfalt und Menge an erforderlichem Material und Geräten für das häusliche Setting werden von mir als Atmungstherapeutin festgelegt und direkt nach Hause bestellt. Sobald der Zeitpunkt der Verlegung bekannt ist, versichere ich mich vor Ort, ob alle notwendigen Geräte und Materialien ordnungsgemäss geliefert wurden und der Beatmunsgplatz funktionsfähig eingerichtet ist.
«Leider ist es nicht immer möglich, Patientinnen in das vertraute häusliche Umfeld zu entlassen, denn dafür benötigt es grosses Engagement und die Bereitschaft, während 24 Stunden an 7 Tagen der Woche die sichere Versorgung zu gewährleisten.»
Als Atmungstherapeutin begleite ich Patientinnen mit der Rettungssanität nach Hause und stelle sicher, dass sich die Betroffenen sicher und wohl fühlen. In den folgenden Tagen wird der von mir involvierte ambulant tätige Respicare-Mitarbeiter von Parahelp und die verantwortlichen Organisationen für Geräte einen Qualitätscheck vor Ort vornehmen und gegebenenfalls notwendige Anpassungen machen. Leider ist es nicht immer möglich, Patientinnen in das vertraute häusliche Umfeld zu entlassen, denn dafür benötigt es grosses Engagement und die Bereitschaft, während 24 Stunden an 7 Tagen der Woche die sichere Versorgung zu gewährleisten. Ohne Assitenz und Spitex ist das ein schwieriges Unterfangen. Deswegen arbeiten wir auch eng mit Pflegeheimen zusammen, die sich auf Patienten mit Atemlähmung spezialisiert haben, als Alternative zu einer Rückkehr nach Hause.
Eine enge interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit klinikintern und -extern mit Institutionen wie SPZ Nottwil, ParaHelp, USZ, Lungen Liga, Spitex und Pflegeheimen unabdingbar. Ein fachlicher Austausch mit Kolleginnen und Kollegen im Rahmen der Deutschsprachigen Medizinischen Gesellschaft für Paraplegiologie.. Dank Teilnahmen an Symposien und Kongressen kann ich mich professionell weiterentwickeln. Die Lebensqualität sicherzustellen und Mitbestimmung der Patienten ist uns wichtig und entspricht unserem pflegerischen und therapeutischen Leitbild.