Chirurginnen und Chirurgen nutzen alle ihre Sinne und vertrauen auf ihre Erfahrungen, um schwierige Operationen zu meistern. Bei schlechter Sicht auf die Anatomie ertasten sie die anatomischen Gegebenheiten oder achten auf akustische Signale, um beispielsweise fest-zustellen, wann sie mit dem Bohren aufhören müssen. Diese menschlichen Fähigkeiten haben Operationsroboter noch nicht, was ihren Einsatzbereich noch stark einschränkt. Ähnlich wie ein Autopilot folgen diese Roboter einem vordefinierten Pfad, der ausschliesslich auf der medizinischen Bildgebung basiert. Wenn dieser Pfad den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht wird, fehlt den Systemen die nicht-visuelle Sinneswahrnehmung, und das Fachpersonal muss wieder übernehmen. Diese Schwierigkeiten treten oftmals bei komplexen Operationen auf, die viel Präzision voraussetzen. Dazu gehören beispielsweise Versteifungsoperationen an der Wirbelsäule, wobei zahlreiche Schrauben millimetergenau im Umfeld des Rückenmarks platziert werden müssen.
Eine internationale Forschungskooperation unter Beteiligung der Universitätsklinik Balgrist (UKB) und der Universität Zürich (UZH) hatte sich in diesem Zusammenhang ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Die Entwicklung chirurgischer Roboter, die in der Lage sind, komplexe und hochpräzise Operationsschritte eigenständig durchzuführen, indem sie eine Vielzahl von sensorischen Wahrnehmungen nutzen. Diese Wahrnehmungen sind mit den menschlichen Sinnen vergleichbar. Die Roboter lernen das Gewebe zu scannen, sie tasten, hören, fühlen, interpretieren und handeln.
Seit 2021 arbeitet das Forschungskonsortium im Rahmen des prestigeträchtigen Horizon 2020 Forschungsprogramms an diesem Projekt, das unter dem Namen FAROS bekannt wurde. FAROS steht für Functionally Accurate RObotic Surgery.
«Bei der UKB stehen die Patientinnen und Patienten im Zentrum. Entsprechend geht ein Grossteil unserer Forschung auf Herausforderungen aus dem klinischen Alltag zurück. FAROS setzt genau da an: Der Roboter erhält die nötigen Werkzeuge, um klinische oder chirurgische Situationen zu verstehen und angemessen vorzugehen», sagt Prof. Mazda Farshad, medizinischer Spitaldirektor der UKB.
Die Resultate lassen aufhorchen
Drei intensive Jahre und acht gemeinsame Integrationswochen später wurde der fertige Prototyp im Forschungs- und Trainingscenter OR-X am Balgrist getestet. Die neuen robotischen Teile wurden dabei aus ganz Europa eingeflogen, in Zürich zusammengebaut und an Wirbelsäulen validiert: «Wir mussten mit unserem neuen Ansatz auf Feld Eins der Forschung beginnen. Jetzt haben wir ein intelligentes, robotisches System, das in kontrollierter Umgebung mehrere Operationsschritte schon autonom durchführen kann. Das ist fantastisch», so Prof. Philipp Fürnstahl, der für das Engagement der UKB und UZH bei FAROS hauptverantwortlich war.
Die Validierung unterstreicht das Potential der nicht-visuellen Sensortechnik. «Die Genauigkeit des ersten Prototyps ist sehr vielversprechend. Wir befinden uns bald in einem Bereich, der klinisch akzeptabel ist», sagt Fürnstahl weiter.
Ein Musterbeispiel internationaler Forschungsarbeit
Ein Forschungsprojekt dieser Grössenordnung setzt zahlreiche Expertisen und eine gute Koordination voraus. Entsprechend wichtig war die Zusammenarbeit der einzelnen Universitäten und Industriepartnern. Die UKB und die UZH fungierten dabei als zentrale Bindeglieder zwischen den Bereichen Robotik (Universität Sorbonne, Frankreich), Informatik (King's College London, England), Sensorik (KU Leuven, Belgien) und Industrie (SpineGuard, Frankreich).
Ausserdem ergänzten sie das Konsortium mit ihrer klinischen Expertise und einer professionellen Forschungsinfrastruktur – dem Operating Room X (OR-X). Neben Mazda Farshad und Philipp Fürnstahl wirkte auch Prof. Reto Sutter, Chefarzt der Radiologie der UKB, mit.
«Es war sehr erfreulich zu sehen, wie professionell und zielorientiert die Zusammenarbeit mit unseren internationalen Kolleginnen und Kollegen über all die Jahre funktioniert hat», so Mazda Farshad.
FAROS: Ein EU-Horizon-Projekt
FAROS wurde durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Euro-päischen Union gefördert. Mit Fördermitteln in Höhe von fast 80 Mrd. € und einer Laufzeit von sieben Jahren war Horizon 2020 das grösste Forschungs- und Innovationsprogramm der EU.
Die UKB hat das Ende des FAROS-Projekt filmisch festgehalten. Die Video-Dokumentation befindet sich auf Youtube.
Nützliche Links:
- FAROS - Multisensorische Robotik
- FAROS project website
- Positionspapier von Swiss Medtech zur Förderung von robotischen Assistenzsystem in der Chirurgie
Kontakt für weitere Informationen
Gregor Lüthy, Leiter Unternehmenskommunikation
Universitätsklinik Balgrist
+41 44 386 14 15
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